S o n d e r s e i t e  f ü r   J Ü R G E N  K Ö H N


Jürgen Köhn Mitte der 70er


Jürgen Köhn 2002

In den 1980ern gab es in Münster kaum eine Kneipe, die nicht von Jürgen Köhn gegründet worden war. Da er es aber spannender fand einen neuen Laden zu eröffnen, als jahrelang zu führen, kam es, dass er viele Gaststätten auf dem Zenit ihres Daseins abgab, um woanders einen neuen Vergnügungstempel aufzumachen.
Dabei sah es in der Jugend von Köhn ganz und gar nicht nach einer Gastronomen-Karriere aus. Hatte er doch in Münster und Minnesota (hier war er von 1963 bis 65) Wirtschaftswissenschaften studiert und anschließend in Düsseldorf und New York für eine der bedeutendsten Werbeagenturen der Welt gearbeitet.
Aber zum Glück für Münsters Kneipenszene ergab es sich, daß Jürgen Köhn 1977 mit seinem Kumpel Ecki Nieweg den Bunten Vogel (damals noch in den Räumlichkeiten der heutigen Casserole an der Rothenburg) zum Leben erweckte. 1979 stieg er im Vogel aus und eröffnete das legendäre Odeon. Nachdem er 1982 auch diesen Laden abgegeben hatte, gründete er - wieder mit Ecki - Rick's Café, welches die beiden 8 Jahre betrieben. Zu den vielen Läden, die Jürgen - nicht nur in Münster - führte, gehörten außerdem das Krokodil (1983-88), das Cheetah (1984-87),  und die Scala (1983-89, heute Grand Café).
1985 hat Jürgen Köhn Münsters legendäre Disco GoGo gegründet. Hier hat er 1987 seinen Geschäftsführer Mark Brouwer als Teilhaber mit ins Boot genommen. Mit Brouwer zusammen hat er 1992 das GoGo um den Rose Club erweitert. Daneben betrieben die zwei ab 1997 das Marktcafé und ab 1999 das Pierhouse. Am 28.05.03 eröffneten sie direkt neben dem Marktcafé das Floyd, von dem es nun einen Ableger an der Stubengasse gibt. Außerdem war Jürgen Köhn von Oktober 2000 bis Juli 2001 Inhaber der Großraumdisco Bellagio im Cineplex (heute Nachtstudios).
Jürgen Köhn wurde am 25.11.1945 geboren und ist am 21.2.2018 viel zu früh gestorben.


Für die Westfälischen Nachrichten schrieb Christa Farwick den folgenden Nachruf.

Hätte Münster die Achtziger Jahre ohne Jürgen Köhn so rasant erleben können? In jedem Falle hat der mit seiner Kneipenkultur die Stadt verändert. Jürgen Köhn hat nicht nur den Raum für die Ausgelassenheit dieser Zeit geschaffen, sondern dem Lebensgefühl Raum gegeben. Lehnte man bis dahin an der rustikalen Kuhviertel-Theke, ging es mit Jürgen Köhns Ideen in den Bunten Vogel, ins Odeon, Rick’s oder GoGo. Ab 1977 gab es kaum einen Szenetreff, den er, der unermüdliche kreative Macher, nicht gegründet hat, ganz abgesehen von Projekten zwischen Borkum und Drensteinfurt. In dem Jahr eröffnete er mit seinem Freund Ecki Nieweg den „Bunten Vogel“ (damals noch an der Rothenburg). Dabei sah es in der Jugend des Münsteraners ganz und gar nicht nach Gastronomie aus. Studiert hatte er Anfang der Sechziger Jahre Wirtschaftswissenschaften in Münster und Minnesota. Anschließend arbeitete er in Düsseldorf und New York in den international bedeutendsten Werbeagenturen – von der „Mad Men-Welt“ konnte er faszinierend erzählen. Verewigt ist er, der Leiter der Kampagne, als Testimonial der berühmten Jägermeister-Werbung Mitte der Siebziger. „Ich trinke Jägermeister, weil mir die Ansichten meiner Wirtin zu kleinkariert sind.“ Groß musste es also sein, da brachte er aus den Staaten nicht nur seine Cowboystiefel und den großen indianischen Ring – sein Markenzeichen - mit, sondern auch die Weltläufigkeit und damit urbane Gastronomie. Für ihn war es offensichtlich jahrelang spannender, immer wieder einen neuen Vergnügungstempel zu eröffnen, als ein Lokal auf Dauer zu führen. Meistens übergab er die Lokale auf ihrem Zenit in andere Hände. Schon 1979 stieg er daher aus dem Vogel aus, nicht ohne eine Studenten-Generation mit der berühmten Vogel-Lasagne durchgefüttert zu haben. Seine Reisen inspirierten ihn, den legendären Musikclub Odeon zu kreieren, wo Punks, Popper oder Mods auf dem Dancefloor die Nächte erlebten – einer der ersten war dabei der junge Götz Alsmann. Damit die Schüler auch tagsüber im coolen Ambiente ihre Zeit verbringen konnten, wurde mit Rick’s Café in der Äegidiistraße ein neuer Szenetreff eröffnet. Visionär hat er Dinge bewegt und dabei die Menschen buchstäblich in Bewegung gebracht. Die Lokale funktionierten so gut, weil er jedem ein eigenes Gesicht gab, jedes Mal kreativ gestaltete, weil er gesellschaftlich und kulturell unterwegs war: mit Liebe zum Design und zum Detail, ausgestattet auch durch die ausgiebigen Einkaufstouren auf den Flohmärkten wie im französischen Lille, und die Zusammenarbeit mit Künstlern. So entstand auch das Krokodil in der Melchersstraße im Kreuzviertel (1983), die Disco Cheetah (1984) und natürlich die Scala mit Bildern von Elvira Bach in der Hörsterstraße (1983). Endgültig zum Discokönig avancierte der Gastronom mit der Disco GoGo, damit lange Nächte auch nach dem Odeon garantiert waren. Ein kurzes Intermezzo war die Eröffnung der Großraumdisco Bellagio im Cineplex. Im Herzen der Stadt mit Blick auf den Dom renovierte Jürgen Köhn das ehemalige Postgebäude und ließt 1997 mit dem Marktcafé die Kaffeehaus-Tradition wieder aufleben – längst eine Institution. Selbstverständlich war er auch der erste, der den Hafen für die Gastronomie Ende der Neunziger entdeckte und den Gästen hier das Pierhouse bot. Feiern, Tanzen, Plaudern – den Raum dafür hat Jürgen Köhn geschaffen. Am 21. Februar ist Jürgen Köhn im Alter von 72 Jahren nach kurzer Krankheit plötzlich gestorben.

Siehe auch:
Der bunte Vogel
Floyd

GoGo
Krokodil
Marktcafé
Odeon
Pierhouse
Rick's Café

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